Als ich Kausche (aus dem sorbischen Chusej `Dorf im Besenginstergestrüpp´),
im Lausitzer Braunkohlerevier, das erste Mal im Juni 1997 aufsuchte, war ich sofort
wie von einem Fieber befallen, denn hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein.
Ende der 60er Jahre wurde der Ort zum "Braunkohle-Schutzgebiet" erklärt.
Seitdem wussten die Bewohner, dass eines Tages die Bagger diesen Landstrich
einebnen werden. Vor allem die Jungen zogen fort. Wer blieb, reparierte nur das Notwendigste. So wurde ungewollt der ursprüngliche Charakter des Dorfes erhalten, dessen Wurzeln bis in die Bronzezeit zurückreichen. Die letzten Bewohner hat man
Anfang 1997 umgesiedelt. Alle Häuser und Höfe mussten entrümpelt und besenrein übergeben werden. Bei meinen Streifzügen durch die verlassenen Straßen und
Häuser entdeckte ich also lediglich seit langem Aufgegebenes, Vergessenes.
Das Dorf lag wie ein offenes Buch vor mir. Mit der Kamera hielt ich meine Eindrücke zumeist in Schwarz-Weiß-Fotos fest. Ich stöberte in Scheunen, Werkstätten,
auf Dachböden und in verwilderten Gärten. Ich sammelte Dinge ein, die scheinbar
ihren Wert verloren hatten, die mir aber etwas über die Geschichte dieser Gegend
und ihrer Bewohner erzählten. Meine Spurensuche war ein Wettlauf mit der Zeit:
Vom Ortsrand her zum Dorfkern hin wurde bereits entkernt, abgerissen und recycelt.
Auf dem Schulhof stapelten sich große Berge, nach Materialien sortiert.
Kausche kam mir vor wie eine einsame Insel im Zeitenstrom, die zugleich Raum ließ,
den Gedanken um das Vergängliche in einer überwuchernden Natur nachzuhängen.
Diese Eindrücke wirken, auch noch Jahre danach, wie ein intensiver Traum. Es ist wie die Suche nach dem Selbst, nach den eigenen Wurzeln. Ich versuche fortan, dies in meine Objekte und Installationen einfließen zu lassen.
Brigitte Denck
Bildende Künstlerin
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